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MusikohneWorte
„Beside the cage“ improvisierten in der Aula der Volkshochschule

Neue Westfälische, 30.10.2007
Von Marcus Ostermann

„Wir geben nur noch Konzerte, bei denen nicht gesprochen wird – das ist die einzige Absprache.“ Sagt Sascha Demand, Gitarrist der seit 15 Jahren bestehenden Formation für improvisierte Musik „Beside the cage“ vor Beginn des Konzerts in der Aula der Volkshochschule. Auch sonst bleiben die drei Musiker des oft als Quintett wirkenden Ensembles wortkarg. So hat man nicht das Gefühl, dass sie sich sehr für den Umstand interessieren, dass sich die eher spärlich besetzten Stuhlreihen nach der Pause noch weiter gelichtet haben.
Natürlich – was „Beside the cage“ (dazu gehören noch am Sonntagabend Oliver Demand und Moritz von Woellwarth, beide Posaune, und als Gast Detlef Güthenke, Bass) den Ohren zumutet, ist anstrengend: Weder gibt es durchgängige Rhythmen noch vertraute Harmonien oder gar Melodien. Manchmal scheint es eher darum zu gehen, möglichst schrill zu klingen oder den Instrumenten auf denkbar ungewöhnliche Weise Töne zu entlocken, etwa wenn Oliver Demand mit dem Zug seiner Posaune auch die Saiten einer E-Gitarre traktiert oder seinem Blasinstrument mit einer Metallsäge zu Leibe rückt.
Aber wenn man sich einlässt auf das Gebotene, erkennt man,dass das, was „Beside the cage“ auf der in Düsternis gehüllten Bühne der VHS-Aula produzieren, keineswegs beliebig ist.
Eher scheint es ein Experiment zu sein, das auslotet, wie man auch bei größtmöglicher Freiheit der Improvisation noch einen Gruppenklang erzeugt: Geht man auf ein Motiv ein, das der Mitmusiker ins Spiel bringt? Wie lässt es sich bearbeiten, abwandeln?Hat man ihm etwas entgegenzusetzen, wenn es den eigenen Nerv nicht trifft? Solche Entscheidungen, in Sekundenschnelle getroffen, erzeugen jene Interferenzen, die das Zuhören erst spannend machen.
Insofern ist die Flucht aus dem Käfig musikalischer Konventionen gar keine solche: „Beside the cage“ nennt sich das Ensemble, wohl im Rückgriff auf den Übervater der Neuen Musik John Cage – wenn man erst mal raus ist, kannman sich die Sache ja noch mal von außen ansehen.
Aber wie klingt es nun? Bemühen wir,um die Lücke zwischen Musik und Worten zu schließen, eine dritte Kunstrichtung: das Lichtspiel. Denn stellen wir uns die Improvisationen von„Beside the cage“ als Begleitmusik eines imaginären Stummfilms vor, öffnet sich umstandslos ein weites Feld möglicher Interpretationen.
Da darf man durchaus auf das nahe liegende Motiv enerviert posaunender Dickhäuter verweisen, aus deren Mitte Sascha Demands Tischgitarre hilflose Morsesignale nach außen zu funken versucht. Wir erhören eine Großstadtlandschaft mit dem kakophonischen Konzert ihrer Lebensäußerungen. Wir lauschen fast autistisch wirkenden Kindern, die in einem Sandkasten aus Musik ihre Motivförmchen backen, bis sie einander bemerken und sich die Förmchen um die Ohrenhauen.
Und wenn Detlef Güthenke die Gemüter mit dem sonoren Summen seines Basses beruhigt hat, darf man sicher sein, dass ein anderer mit dröhnendem Nebelhorn die ersten Schwaden sich abzeichnenden Wohlklangs auseinander bläst.
So gehört eröffnet Musik wie die von „Beside the cage“ geradezu die Pforten der Wahrnehmung – ganz ohne die sonst dazu notwendigen Hilfsmittel.
Ein feines Konzert.



Fotos: Marcus Ostermann